Nürnberg, 10.09.2021: Menschen beschäftigen sich in Sachen rechtlicher Vorsorge eher mit dem Tod als mit dem Leben. Ihr Testament haben zumindest ca. 25% der Deutschen* schon erledigt. Aber was ist, wenn ein Unfall oder eine Krankheit das ganze Leben innerhalb von Sekunden verändert und die betroffene Person außer Gefecht setzt? Wer kümmert sich dann um die alltäglichen Dinge des Lebens? Um Gesundheitsregelungen, Finanzen, Behördengänge? Kleine Dinge, wie Unterschriften leisten oder Auskünfte bei der Krankenkasse einfordern, können dann schon zur Herausforderung werden. Eine Belastung – vor allem für die Familie.
Dennoch haben viele deutsche Erwachsenen diesbezüglich noch keine ausreichenden rechtlichen Regelungen getroffen. Beim Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer sind aktuell 5 Mio. Vorsorgedokumente** registriert. Bei ca. 70 Mio. Erwachsenen in Deutschland*** sind das gerade einmal 7,14%. Da keine gesetzliche Eintragungspflicht für Vollmachten bei der Bundesnotarkammer besteht, kann man davon ausgehen, dass die Prozentzahl zwar nicht ganz so niedrig, aber dennoch erschreckend gering ausfällt. Warum ist das so? Vielleicht, weil die meisten denken, dass sich die Familie bzw. der Ehepartner im Ernstfall um alles kümmert.
Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Katy Hoffmeister erklärte hierzu kürzlich: „Zu glauben, Eheleute könnten sich im Fall einer Betreuungsbedürftigkeit (…) automatisch gegenseitig vertreten, sei ein Irrtum“, und betonte die Bedeutung von Vollmachten (ZEIT ONLINE). Eine fehlende Vorsorgevollmacht kann laut Gesetz zu einer gerichtlich veranlassten rechtlichen Betreuung führen. Die Familie bzw. Vertrauenspersonen haben dann keine Entscheidungsgewalt mehr. Die Politikerin betonte auch, dass «Vorsorgevollmachten (…) Vorrang gegenüber dem neuen gesetzlichen Notvertretungsrecht für Ehepaare und eingetragene Lebenspartner», dass 2023 in Kraft tritt, haben werden. Dieses solle demnach nur kurzfristig rechtliche Betreuungen, beispielsweise bei medizinischen Notfällen, vermeiden. Jedoch könne auch diese Regelung die Erstellung einer Vorsorgevollmacht nicht ersetzen. „Auch dann kann das Fehlen einer umfassenden Vorsorgevollmacht zu einer gerichtlich veranlassten rechtlichen Betreuung führen“, so die Politikerin. Ihr Appell: „Jeder Erwachsene sollte eine Vorsorgevollmacht erstellen, sofern eine Vertrauensperson diese Aufgabe übernimmt“, denn sie bewahrt Menschen in Notfällen davor, von den Entscheidungen Fremder in den Bereichen Finanzen, Gesundheit und Aufenthalt abhängig zu sein. Gleichzeitig werden die Familien der Betroffenen entlastet. Es wird zudem sichergestellt, dass schnelle Entscheidungen von Vertrauenspersonen getroffen werden können.
Aber aufgepasst: Vollmacht ist nicht gleich Vollmacht. In einem aktuellen Online-Bericht des Fernsehsenders NTV wird nochmals betont, wie wichtig es ist, dass in der Vorsorgevollmacht genau steht, wer wen wozu bevollmächtigt. Bei Vorlagen sollte demnach geprüft werden, ob alle wichtigen Aspekte einer rechtskonformen Vorsorgevollmacht beinhaltet sind. Je genauer die Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche festgelegt sind, umso besser. Laut NTV raten Experten dazu, eine Vollmacht „juristisch prüfen zu lassen, damit sie im Vorsorgefall auch wirklich hilft.“
Fazit: Ein Unfall oder eine Krankheit kann jeden jederzeit treffen. Ist man dann nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, muss dies per Gesetz ein rechtlicher Vertreter übernehmen. Daher ist es ab Erreichen der Volljährigkeit besonders wichtig, früh genug mit einer Vorsorgevollmacht für den Notfall vorzusorgen. Nur so ist sichergestellt, dass Angehörige schnell für den Betroffenen handeln können – ohne durch das Gericht fremdbestimmt zu sein – und kein Fremder (vom Gericht bestellter Berufsbetreuer) über persönliche Angelegenheiten entscheidet. Damit die Vorsorgevollmacht im Ernstfall auch greift, ist es ratsam, bei der Erstellung juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich an Experten zu wenden.
JURA DIREKT 09-2021, JA
Quellen: *statista.com, **bnotk.de, ***destatis.de, zeit.de, n-tv.de
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